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Deine Erfahrungen

Uns interessieren auch deine Erfahrungen, sei es vor, während oder nach der Schwangerschaft. Sei es ein positiver oder negativer Geburtsbericht oder deine Kinderwunschreise. Gerne kannst du deine Geschichte in unserem Forum teilen, oder schickst sie uns direkt zu, sodass wir sie hier teilen können!

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Vom Wunschkind zum Sternenkind
Diagnose Trisomie 18

Ein Erfahrungsbericht über die unerwartete Diagnose Trisomie 18 in der 21. Schwangerschaftswoche

Jeder Mensch hat einen Traum im Leben. Mein Traum war es immer meine eigene Familie zu gründen. Ich wollte schon immer heiraten, ein Haus bauen, Kinder bekommen und einfach Mutter sein. Für mich sah und sehe ich es als meine Bestimmung mich um meine Kinder zu kümmern, sie aufzuziehen und ihnen all die Liebe zu geben, die ich in mir trage. Zusammen mit meinem Mann wollte ich unbedingt das perfekte und intakte Familienbild, was ich immer im Kopf hatte, umsetzen. Nach fünf Jahren Beziehung fühlten wir uns bereit – es passte als Paar, es passte vom Platz und von den Finanzen her. Anfangs war ich sehr unruhig – es kamen die typischen Fragen auf, wie etwa: wird es sofort klappen? Was muss ich tun? Was ist, wenn es schief geht? Irgendwann wurde ich ruhiger. Ich nahm bereits seit Januar Folsäuretabletten und kannte mich mittlerweile bestens aus. Ich las alle Artikel über jede Art von Nahrungsergänzungsmitteln für den Kinderwunsch und die Schwangerschaft, sowie alles über Lebensmittel und Tätigkeiten, auf die man verzichten sollte. Es machte mir Spaß mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, da es für eine wundervolle Sache war und mich das Thema Kinderwunsch, Schwangerschaft und Erziehung allgemein sehr interessierte. Auf der Arbeit hatte ich immer viel mit Schwangeren zu tun, was ich teilweise auch sehr genoss, mich mit ihnen austauschen zu können. Für mich gab es einfach nichts schöneres als ein neues Menschenleben. Eine liebe Freundin und ehemalige Kollegin von mir legte mir ein Mikronährstoffkonzentrat ans Herz, was ich mir sofort kaufte. Sie schwor darauf, dass unser Kinderwunsch damit bestimmt schnell erfüllt werden würde. Ich las mir auch hierzu sehr viel durch, nahm es täglich ein und sagte mir immer wieder, dass es schnell klappen wird. Immerhin bin ich jung, gesund und alle wichtigen Nährstoffe, die für Babys wichtig sind, sind in meinem Körper ausreichend vorhanden. Ich rauche nicht, trinke nicht und ernähre mich nicht übermäßig ungesund. Sportlich bin ich zwar auch nicht unbedingt, aber mein Körper war der perfekte Ort für so ein kleines süßes Baby. Ich lud mir einige Apps für Schwangerschaften herunter, die mir empfohlen wurden, machte Ovulationstests und trug alles ein, um einen Überblick zu haben. Ich kann kaum zählen wie oft ich hörte „Aber du darfst da nicht mit Druck rangehen, das klappt sonst nicht.“ Aber jetzt mal ehrlich, wenn du dir etwas aus tiefstem Herzen wünschst, wie gehst du da ohne Druck heran? Du kannst dir nicht zur Hälfte etwas von Herzen wünschen, entweder ganz oder gar nicht. Ehrlich gesagt setzte mich das viel mehr unter Druck mir diesen Satz immer wieder anzuhören. Denn erstens vermittelt es absolut keine Hilfe, auch wenn die Personen es vielleicht gut meinten. Und zweitens stimmt es nicht unbedingt. Wir hatten Glück, denn direkt im ersten Übungszyklus wurde ich schwanger. Ich konnte es eigentlich selbst kaum glauben, als ich am Morgen des 12. Juli den positiven Test in den Händen hielt. Ich kann mich noch sehr gut an den Morgen erinnern. Denn im Juni hatte ich vorsorglich bereits für den 16. Juli einen Termin bei meiner Frauenärztin vereinbart. Ich hatte zuhause bereits viele Schwangerschaftstests verschiedener Marken, um auf Nummer sicher zu gehen. An dem Morgen war ich besonders aufgeregt, da ich meinen Zyklus kannte und wusste, dass heute der Tag war, an dem ich den Test machen konnte. Ich musste nicht auf das Ausbleiben meiner Periode warten, da ich einige Frühtests besorgt hatte. Auch wenn ich im Internet viel Kritik zum frühen Testen las, war es mir egal, denn ich dachte mir, dass es ja mein Baby sei und ich das selbst entscheiden könnte, wann ich teste, schließlich müsste ich mich ja mit dem Ergebnis auseinander setzen. Als ich an diesem Morgen im Badezimmer auf dem Schwangerschaftstest das Wort „schwanger“ las, machte mein Herz einen Satz. Es war ein pures Freudegefühl, so wie es noch nie der Fall war. Eigentlich wollte ich meinen Mann mit der freudigen Nachricht überraschen, doch ich hielt es kaum aus. Ich weckte ihn an diesem Morgen aufgeregt und zeigte ihm den Test. Er freute sich mit mir, war aber noch vorsichtig, bis die Ärztin die Schwangerschaft bestätigte, da ich zu dem Zeitpunkt erst ganz frisch in der 4. Schwangerschaftswoche sein konnte und er auf Nummer sicher gehen wollte. Ich machte an dem Tag noch einige Tests, meistens Frühtests, die schon 5-6 Tage vor dem Ausbleiben der Periode gemacht werden können, um einen fehlerhaften Test auszuschließen, aber alle waren sofort und ganz deutlich positiv, weshalb mir der Gedanke bis zur 12. SSW abzuwarten, um es anderen mitzuteilen, gar nicht in den Sinn kam. Natürlich bringt es gewisse Risiken mit sich, diese Nachricht früh zu teilen, aber ich dachte mir, dass auch nach der 12. SSW etwas passieren kann und wollte es ehrlich gesagt auch den Leuten „beweisen“, die mir sagten, dass man nicht so schnell schwanger werden könnte, besonders wenn man es so dringend wollen würde. Ich schickte sofort einigen Freund*innen von mir Bilder des Schwangerschaftstests und wurde mit Glückwünschen überhäuft, da alle wussten, wie sehr wir es uns gewünscht haben und einige wahrscheinlich selbst sehr überrascht waren, wie schnell es klappte. Ich war so glücklich wie noch nie. Ich stellte mir sofort unser wundervolles Familienleben vor - Kindergeburtstage, Weihnachtsfeste, Spielplatzbesuche, Gute-Nacht-Geschichten... Wie immer war ich sehr ungeduldig und kaufte bereits in den ersten paar Tagen die ersten Dinge für die Schwangerschaft, sowie erste Kleidung für unser Baby. Ich kaufte ein Schwangerschaftstagebuch, um alles wichtige in Erinnerung zu behalten, und las mir wieder sämtliche Artikel durch. Irgendwann kannte ich so ziemlich alle Artikel zur Entwicklung von Babys in den ersten Wochen und alle Artikel zum Thema Fehlgeburten. Natürlich hatte ich große Angst vor einer Fehlgeburt, da ich noch so früh schwanger war, aber ich versuchte auf mein Bauchgefühl zu hören, dass mein Körper mein Baby nicht abstößt. Ich liebte unser Baby bereits von Beginn an so sehr, dass ich es kaum erwarten konnte, es im Arm zu halten. Jeden Tag stellte ich mir vor, wie es sein würde, unser Baby endlich bei mir zu haben.


Am 16. Juli (SSW 5 / 4+2) war ich das erste Mal seit der eigenen Feststellung meiner Schwangerschaft bei meiner Frauenärztin. Ich war also offieziell überfällig Ich war schon am Vortag wahnsinnig aufgeregt und konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Wahrscheinlich nervte ich meine Freund*innen auch mit dem Thema und meinen Ängsten, aber das gehört irgendwie dazu. Komischerweise hatte ich aber überhaupt keine Angst, dass meine Ärztin mir sagen würde, dass ich vielleicht doch nicht schwanger war. Natürlich kamen bereits die ersten Kommentare. „Was ist, wenn du doch nicht schwanger bist?“, „Denk daran, dass es immer noch eine Fehlgeburt werden kann!“ Um es nochmal zu betonen: Es mag sein, dass solche Aussagen keine böse Intention verfolgen, dennoch könnte man diese Gedanken vielleicht eher für sich behalten, da dies jeder Schwangeren klar sein wird und es einem eher hilft, sich mit den positiven Dingen auseinander zu setzen. Ich fuhr nervös zu meiner Frauenärztin und kündigte am Empfang direkt an, dass bitte ein Schwangerschaftstest gemacht werden müsste. Ich nahm also den Becher entgegen, ging auf die Toilette und setzte mich danach ins Wartezimmer. Ich hatte an diesen Termin unglaublich hohe Erwartungen, konnte mir aber selbst nicht genau erklären, was genau ich erwartete. Als ich endlich aufgerufen wurde, machte meine Ärztin einen vaginalen Ultraschall und bestätigte, dass die Gebärmutterschleimhaut sich gut aufgebaut hatte, sowie dass er Schwangerschaftstest positiv war. Anhand meiner letzten Periode und meiner Angaben wurde die genaue Wochen- und Tagesanzahl meiner Schwangerschaft festgelegt. Ein Embryo war noch nicht zu sehen, aber dafür war es auch noch viel zu früh, da Embryos in dieser Woche gerade einmal 1-2 Millimeter groß sind. Zudem wurde mir Blut abgenommen, um eine Eileiterschwangerschaft auszuschließen und meine Werte zu überprüfen. Als voraussichtlicher Entbindungstermin wurde der 24. März des Folgejahres festgestellt. Wir vereinbarten zeitnahe den nächsten Termin, in der Hoffnung dann schon einen Embryo zu erkennen. Ich war in diesen zehn Tagen wieder sehr aufgeregt, freute mich aber ungemein. Mir schossen viele Fragen durch den Kopf. Wird alles gut verlaufen? Werden es Zwillinge? Welches Geschlecht wird unser Baby haben? Wie wird unser Baby aussehen? Zudem hatte ich wahnsinnige Angst vor einer Eileiterschwangerschaft, einer Fehlgeburt, Fehlbildungen, Enzündungen und einem Dammriss. Ich denke, gerade wenn man sich so viel beliest, kommen automatisch viele Ängste auf. Jedoch finde ich, dass es auch sehr beruhigend sein kann, sich zu belesen und genau zu wissen, wie man eine Schwangerschaft positiv beeinflussen kann. Woher hätte ich sonst wissen sollen, dass z.B. Zimt wehenfördernd ist und eine anregende Wirkung auf den Gebärmutterhals hat, oder dass man Rohmilchkäse und Weichkäse nicht essen sollte? Ich esse es ohnehin nicht, aber auf den Gedanken, dass es schädlich sein könnte, wäre ich zuvor nicht gekommen. Deshalb wurde es für mich immer wichtiger, sich hier zu belesen. Mir ist bewusst, besonders weil ich den Satz „Früher wusste man das alles nicht und es ist trotzdem gut gegangen“, unzählige Male gehört habe, dass man nicht auf jede Kleinigkeit achten muss und trotzdem alles gut gehen kann. Jedoch bin ich der Meinung, dass wenn man weiß, dass etwas schädlich sein könnte, auch darauf verzichtet werden kann. Jede Schwangere muss das für sich wissen und mit Sicherheit bin ich keine „Übermutter“ und ja, meine Kinder werden auch mal Zucker bekommen, aber viele Frauen vergessen, dass besonders die ersten 12 Wochen wahnsinnig empfindlich für die Entwicklung des Babys ist. Ich denke gerade dadurch, dass eine Freundin von mir in einem Kinderheim gearbeitet hat, in dem sich viele kranke und behinderte Kinder befinden, die beispielsweise unter dem fetalen Alkoholsyndrom leiden oder auch andere Krankheiten und Behinderungen aufweisen, an denen die Mütter durch die Aufnahme von Alkohol, Zigaretten, Drogen oder ähnlichen Substanzen Schuld sind, wird man umso hellhöriger. So etwas käme für mich ohnehin nie in Frage, dennoch können auch Nahrungsmittel zu Frühgeburten führen, oder die Gesundheit des Kindes gefährden, sodass man das Ein oder Andere lieber weglassen sollte. Es ist klar, dass die meisten Frauen sich in der Schwangerschaft nicht ausschließlich gesund ernähren, dazu gehöre ich auch, manchmal treten Gelüste auf, den man auch nachgehen sollte, das kann ich selbst so unterschreiben. Aber ich möchte versuchen einigen Frauen den Gedanken „Es wird schon nichts passieren“, aus dem Kopf zu schlagen. Denn auch wenn man alles richtig macht, kann mehr passieren, als man denkt.

Am 19. Juli (SSW 5 / 4+5) bekam ich einen Anruf von einer Arzthelferin aus der Praxis meiner Frauenärztin, die mir mitteilte, dass meine Blutwerte sehr gut waren und dass keine Eileiterschwangerschaft vorlag. Das erleichterte mich enorm. Alle Nährstoffe, die für die Entwicklung unseres Babys wichtig waren, waren vorhanden, was mich sehr stolz machte. Ich nahm weiterhin fleißig all meine Schwangerschaftsvitamine ein und las so viel ich konnte über die Geburt. Es waren bereits eine Menge Leute über meine Schwangerschaft informiert und auch meinem Arbeitgeber gab ich sofort Bescheid. Ehrlicherweise schienen sie nicht besonders begeistert zu sein, zumindest nicht alle, aber mein Baby war mir wichtiger. Die ersten Gelüste hatte ich schon in der 6. SSW. Ich hätte den ganzen Tag Wassermelone und Fruchtzwerge essen können. Körperliche Veränderungen spürte ich bis dahin nicht, aber die Freude über unser Baby begleitete mich jeden Tag. Ich fing auch direkt damit an, nach einer Hebamme zu suchen, schrieb viele Hebammen aus der Nähe an, da es mir wichtig war, eine Hebamme zu finden, die zur Nachsorge zu einem nachhause kommen könnte. Außerdem wusste ich bereits im Vorfeld, dass die Suche möglichst früh stattfinden sollte. Leider gestaltete es sich trotz der sehr frühen Suche so schwierig, dass ich tatsächlich wahnsinnig viele Absagen bekam, oft sogar gar keine Antworten. Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, dass ich durch meinen Job eigentlich einen Vorteil hätte, da ich viel mit Schwangeren und Hebammen zusammenarbeitete und bereits Listen hatte, auf denen mehrere hundert Hebammen drauf standen. Außerdem hatte ich bereits gute Kontakte zu einigen Hebammen. Doch leider bestätigte es sich nicht und ich stand erst einmal ohne Hebamme da, ließ mich aber nicht entmutigen, da ich ja noch sehr früh dran war und beschloss weiterzusuchen.


Am 26. Juli (SSW 6 / 5+5) hatte ich meinen zweiten Termin bei meiner Frauenärztin. Ich war wieder sehr aufgeregt, versuchte mir aber selbst zu sagen, dass alles gut war. Erneut musste ich eine Urinprobe abgeben, wurde gewogen und es wurde mir Blut abgenommen. Die Zeit im Wartezimmer war für mich immer die Hölle, da ich es immer kaum erwarten konnte, unser Baby zu sehen. Meine Frauenärztin führte wieder einen vaginalen Ultraschall durch und erklärte mir, dass ein Dottersack und ein kleiner Embryo sichtbar waren. Sie zeigte mir am Bildschirm, was sie sehen konnte und erklärte es mir ganz genau. Ich war sehr froh darüber, dass unser Baby sich gut entwickelt hatte. An diesem Tag bekam ich mein erstes Ultraschallbild. Unser Baby war noch ganz klein, auf dem Bild sah es aus wie eine kleine Birne. Es war etwa 2-3 Millimeter groß. Stolz schickte ich das Bild einigen Freund*innen und Familienmitgliedern und zeigte es zuhause natürlich meinem Mann, der sich ebenfalls sehr freute. Auch wenn es noch sehr früh war, besorgte ich bereits die ersten Kleidungsstücke und konnte es kaum fassen, was für süße Dinge es gab. Ich schaute auch bereits nach Kuscheltieren, Büchern, Bettwäsche, Möbeln fürs Kinderzimmer, Spücktüchern usw. Es machte mir unheimlich viel Spaß Sachen auszusuchen und schon mal auf eine Einkaufsliste zu setzen, sowie die ein oder andere Sache zu bestellen. Natürlich hörte man auch hier wieder einige Kommentare, dass man doch warten solle, es könne immer noch etwas passieren. Aber diese ganze Vorbereitung war für mich so erfüllend, dass ich es dennoch machte und mich nicht beirren ließ.


Am 6. August (SSW 8 / 7+2) war der nächste Termin bei meiner Frauenärztin. An diesem Tag bekam ich endlich meinen Mutterpass, auf den ich so lange gewartet hatte. Die Untersuchungen fingen immer gleich an, Urinprobe abgeben, wiegen, Blutdruck messen und Blut abnehmen, um meine Werte zu überprüfen. Die Wartezeit überbrückte ich immer damit, mir in der App durchzulesen, wie groß und schwer unser Baby nun sein müsste und wie es in etwa aussieht. Bei der Untersuchung durch meine Ärztin konnten bereits die Herztöne erkannt werden. Ich sah das kleine Herzchen schlagen und sah, dass mein Baby schon etwas gewachsen war, es war nun etwa 5 Millimeter groß. Ich bekam erneut ein Ultraschallbild, was dem ersten sehr ähnelte. Meine Ärztin ging mit mir den Mutterpass durch, besprach die Anamnese und allgemeine Befunde für die weiteren Vorsorgeuntersuchungen. Im Grunde genommen unfasste das die familiäre Belastung, ob hier Krankheiten vorlagen, sowie meinen Gesundheitszustand.


Am 9. August (SSW 8 / 7+5) bekam ich die Ergebnisse der Blutuntersuchungen. Es wurde meine Blutgruppenzugehörigkeit/Rhesusfaktor, mein Rötelnschutz, Antikörper etc. bestimmt. Laut meiner Ärztin waren nach wie vor alle Werte vollkommen in Ordnung, was mich sehr beruhigte. Ich verhielt mich weiterhin sehr vorbildlich und versuchte zuhause bereits die ersten Schwangerschaftsübungen zu machen, um mich sportlich zu betätigen. Das, was für mich in der Schwangerschaft von großer Bedeutung war, war dass eine alte Freundin aus der Grundschule, die ich aus den Augen verloren hatte, zufälligerweise ebenfalls schwanger war und wir nur eine Schwangerschaftswoche auseinander waren. Sie erwartete bereits ihr 2. Kind, sodass ich ihr zur Schwangerschaft sämtliche Fragen stellen konnte. Da sie mittlerweile in Japan lebt, war es nicht möglich, dass wir uns treffen konnten, aber durch eine andere Freundin von mir fand ich sie auf Instagram wieder, schrieb sie an und von da an hielten wir fast täglich den Kontakt zueinander, tauschten uns viel aus und waren quasi gemeinsam schwanger. Ich fand es wirklich sehr schön jemanden zu haben, der sich in der gleichen Situation befand, wie ich. Sie konnte mir einige Ängste nehmen und wir schickten uns öfter zum Vergleich süße Babyartikel, die wir gefunden haben. Allgemein war sie während meiner Schwangerschaft eine meiner engsten Vertrauten.


Die nächste Vorsorgeuntersuchung fand am 25. August (SSW 11 / 10+0) statt. Da ich zwei Katzen habe, wurde ein Toxoplasmosetest gemacht, um auszuschließen, dass ich mich damit angesteckt hatte. Bei der Untersuchung waren die Herztöne erneut erkennbar, sowie erste Kindsbewegungen. Obwohl mein Bauch zu diesem Zeitpunkt schon etwas aufgebläht war, war bei der Größe des Babys natürlich noch kein richtiger Babybauch sichtbar und somit konnte ich auch die Bewegungen noch nicht spüren. Aber dass es unserem Baby scheinbar gut ging, beruhigte mich. Was mich beunruhigte war hingegen die Tatsache, dass meine Ärztin mir erklärte, dass unser Baby etwas kleiner war, als es sein sollte, was allerdings wohl daran läge, dass es vielleicht doch eine Woche jünger war, als wir bisher angenommen hatten. Es sei allerdings kein großes Problem. Es irritierte mich dennoch sehr, da ich den Schwangerschaftstest bereits einige Tage vor der ausgebliebenen Periode gemacht hatte und er deutlich positiv war, sodass unser Baby auf keinen Fall eine Woche jünger sein konnte, doch ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, dass scheinbar alles andere in Ordnung war, auch wenn ich mir Sorgen machte. Mein Mann befürchtete sofort, dass unser Baby vielleicht in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt sein könnte, doch die Ärztin hatte nichts weiter angedeutet und mir versichert, dass ansonsten alles in Ordnung war, weshalb ich versuchte es darauf beruhen zu lassen. Laut dem Mutterpass gab es keine weiteren Auffälligkeiten, unser Baby war darstellbar und die Herzaktion ebenfalls. Die zeitgerechte Entwicklung machte mir Sorgen, da hier nochmal eine Kontrolle beim nächsten Vorsorgetermin erfolgen sollte, doch es schien ja alles gut zu sein. Laut der Schätzung meiner Ärztin war es etwa 2,5cm groß.


Als die 12. Schwangerschaftswoche rum war, schienen die ersten „Zweifler“ sich nun auch zu freuen. Ich fand es gut, dass sich nun jeder auf unser Baby zu freuen schien, dennoch irritierte es mich, dass es bei einigen scheinbar eine Art Schalter gab, den man ab der 12. Woche umkippen konnte und sämtliche Ängste verschwunden waren. Das war bei mir nicht der Fall. Ich freute mich immer, machte mir jedoch auch immer Gedanken.


In der 13. Schwangerschaftswoche fand ich endlich eine Hebamme. Wir machten per WhatsApp einen Termin aus, an dem wir uns kennen lernen konnten, damit ich einige Fragen stellen konnte, die mir auf dem Herzen lagen. Auf die Empfehlung einer lieben Kollegin von mir, die während ihrer Schwangerschaft einen Fetaldoppler benutzte, las ich mir hierzu viel durch und bestellte mir einen. Ein paar Tage später kam er bereits an. Ich konnte damit den Herzschlag unseres Babys hören und war vollkommen überwältigt. Da mein Mann durch die Coronabedingungen leider nicht mit zu den Untersuchungen kommen durfte, war das eine gute Alternative, ihm den Herzschlag unseres Babys zu zeigen. Ich fand den Herzschlag sofort, da ich bei der Ärztin immer aufgepasst hatte, wo sie drückte und wo unser Baby in etwa liegen musste. Um es nicht zu übertreiben, sagte ich mir, dass ich das Herz maximal einmal pro Woche abhören würde, einfach um mich selbst zu beruhigen, was mir meistens auch gelang. Es funktionierte ganz einfach und war auch nicht aufwendig.


Meine nächste Vorsorgeuntersuchung hatte ich am 17. September (SSW 14 / 13+2). Unser 5,5cm kleines Baby war an diesem Tag sehr aktiv. Dass es gewachsen war und die Herztöne wieder gut waren, freute und beruhigte mich sehr. Ich bekam wieder ein Ultraschallbild, auf dem schon ein richtiger kleiner Mensch erkennbar war. Die Ärztin schien zufrieden zu sein, zumindest vermittelte sie mir, dass immer noch alles in Ordnung war und ich mir keine Sorgen machen müsste. Ein Geschlecht war leider noch nicht erkennbar und mein Gefühl schwankte immer hin und her. Anfangs war ich mir sicher, dass es ein Mädchen werden würde, zwischendurch sagte mein Bauchgefühl mir aber immer wieder, dass es ein Junge werden würde. Es war ein bisschen wie auf einer Achterbahn, wie oft mein Gefühl sich änderte. Wichtig war mir allerdings eher, dass unser Baby gesund war und das war es laut der Untersuchungen. Von Woche zu Woche fieberte ich der Geburt immer mehr entgegen und kümmerte mich bereits um die Geburtsvorbereitungskurse und um die Anmeldung in den Krankenhäusern. Da eine so frühe Anmeldung leider nicht überall möglich war, sah ich mir zumindest online den Kreißsaal an und las mir über die Krankenhäuser einiges durch. Leider bekam ich auch hier Kontra, was die Krankenhäuser betraf. Einige waren besorgt, dass die Geburt Komplikationen mit sich bringen könnte, wenn ich in bestimmten Krankenhäusern entbinden würde. Das konnte ich natürlich verstehen, allerdings wollte ich mich selbst um alles kümmern. Ich bekam auch öfter Vorschläge in irgendwelchen Krankenhäusern zu entbinden, in denen irgendjemand in den 90ern entbunden hat, was mit der heutigen Zeit eigentlich kaum vergleichbar ist. Ich versuchte mir selbst ein Bild zu machen, da ich diese Geburt ja durchstehen musste, niemand anders. Mir war bewusst, dass keine böse Intention dahinter steckte, aber einige Aussagen waren eher angsteinflößend, als hilfreich, deshalb versuchte ich wegzuhören. Ab dem 4. Monat hatte ich übrigens wahnsinnigen Heißhunger auf Grießbrei, Kartoffelbrei und Vanillepudding.


In der 14. Schwangerschaftswoche hatten mein Mann und ich bereits alle Möbel für das Kinderzimmer im Warenkorb. Die ersten Kleidungsstücke, sowie Kinderbücher, Kuscheltiere, Windeln, Fläschchen usw. waren bereits vorhanden. Auch die Farbe fürs Kinderzimmer hatten mein Mann und ich bereits besorgt. Da wir das Zimmer eher neutral halten wollten, entschieden wir uns für ein zartes Salbeigrün. Bezüglich des Kinderzimmers gab es auch wieder Kontra. Ich hatte das Gefühl, dass vielen Leuten nicht bewusst war, dass die Entscheidungen für unser Baby bei uns als Eltern lagen und natürlich jeder seine Meinung hatte, dass wir jedoch unsere eigenen Entscheidungen treffen wollten.


In der 15. Schwangerschaftswoche kam meine Hebamme das erste Mal bei mir vorbei. Sie war sehr lieb und ging mit mir den Mutterpass durch. Sie erklärte mir den Ablauf zur Nachsorge nach der Geburt und beantwortete mir einige Fragen zur natürlichen Geburt und zum Kaiserschnitt. Wir vereinbarten für Mitte November den nächsten Termin, ich konnte mich allerdings jederzeit bei ihr melden, wenn ich Fragen hatte.


Am 8. Oktober (SSW 17 / 16+2) machte ich mich wieder auf den Weg zu meiner nächsten Vorsorgeuntersuchung. Alles war wie immer, unser Baby war aktiv, die Herztöne waren immer deutlich erkennbar und meine Werte waren vollkommen in Ordnung. Ich war zwar nach wie vor immer sehr aufgeregt, was meine Termine betraf, doch ich machte mir keine Sorgen mehr, dass etwas mit unserem Baby nicht stimmen könnte. Mein Bauch wuchs von Woche zu Woche und ich hatte schon einen richtigen schönen Babybauch. Ich ölte ihn schon von Beginn an täglich mit Öl ein, um Dehnungsstreifen vorzubeugen. Nach jedem Frauenarzttermin las ich mir zuhause noch einmal alles aus dem Mutterpass durch, schrieb alles in mein Schwangerschaftstagebuch und erzählte natürlich meinem Mann und meinen Freunden alles bis ins kleinste Detail.


Den Herzschlag hörte ich wöchentlich mit dem Fetaldoppler ab und mittlerweile war seit der 18. Schwangerschaftswoche das Kinderzimmer auch schon fast fertig. Da die Geburt im März sein sollte, wollten wir kurz vorher noch einiges besorgen, aber das meiste war bereits da. Mein Mann und ich verreisten für ein paar Tage, als eine Art Babymoon, da wir nicht wussten, wann das das nächste Mal möglich sein würde. Bis dahin war noch alles gut. Dann änderte es sich schlagartig.


Als ich am 2. November (SSW 20 / 19+6) erneut zu meiner Frauenärztin ging, war es für mich schon zur Routine geworden. Ich wurde immer ruhiger und machte mir fast keine Sorgen mehr. Es war das zweite große Screening in der Schwangerschaft und unser kleiner Sohn zeigte sich deutlich. Ich freute mich sehr, als ich erfuhr, dass wir einen kleinen Jungen erwarteten. Noch bevor meine Frauenärztin mir das Geschlecht bestätigte, ahnte ich, dass unser Baby ein Junge war. Ich wusste dennoch nicht so ganz, wie ich in dem Moment reagieren sollte und war ein bisschen überfordert mit der Information. Meine Ärztin versuchte mir zu vermitteln, dass ich sicherheitshalber einmal zur Feindiagnostik gehen sollte, da der Kleine immer noch etwas kleiner war und die Darstellbarkeit des Vier-Kammer-Blicks seines Herzens nicht deutlich war, es sei allerdings wohl nur eine Sicherheitsmaßnahme das zu kontrollieren, wurde mir gesagt. Zudem seien Plexuszysten in seinem Hirn zu sehen, die aber wahrscheinlich bis Montag wieder weg seien. Ansonsten sei alles in Ordnung. Da unser Sohn bereits ca 16-20cm groß war, befürchtete ich nichts schlimmes, da ich davon ausging, dass alles in Ordnung war, so wie bei allen anderen Vorsorgeuntersuchungen auch. Es war das erste Mal, dass ich mich nicht dazu belas, was Plexuszytsen waren. Ich vertraute darauf, dass alles gut war. Wir trafen uns also am Wochenende mit einigen Freunden von uns und gaben freudig bekannt, dass wir einen Sohn erwarteten und uns für einen Namen entschieden hatten. Der Name fiel meinerseits schon öfter, da es einer meiner Lieblingsnamen ist und ich mir gut vorstellen konnte, dass der Name zu uns und zu unserem Sohn passen würde. Es war zwar erst kürzlich bekannt geworden, dass unser Baby ein Junge ist, jedoch fühlte es sich bereits sehr vertraut an, den Namen zu verwenden. Wir behielten den Namen weitesgehend erst einmal für uns, nur einige Freund*innen wurden eingeweiht, die Familie wollten wir später irgendwann persönlich darüber informieren. Bis dahin war alles in Ordnung. Wir waren der festen Überzeugung, dass wir einen gesunden kleinen Jungen erwarteten.


Doch der 8. November (SSW 21 / 20+5) änderte alles. Er wird mir wohl immer im Gedächtnis bleiben, wahrscheinlich als einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Mein Mann hatte an diesem Tag Nachtschicht, sodass er mich leider nicht zum Termin bei der Feindiagnostik begleiten konnte. Meine Frauenärztin hatte mir einen Feindiagnostiker rausgesucht, der leider über eine Stunde von mir zuhause entfernt war, allerdings sagte sie, dass es wahrscheinlich nur ein einmaliger Termin wäre und die Entfernung daher nicht allzu schlimm sei. Ich machte mich also ganz in Ruhe morgens zurecht und fuhr mit der U-Bahn zum Feindiagnostiker. Als ich den Arzt auf Google suchte, fand ich einen älteren Herrn, der meiner Meinung nach schon einen sehr unsympathischen Eindruck machte. Ich hatte ein komisches Gefühl im Bauch, schob es jedoch auf die Aufregung. Als ich im Wartezimmer ankam, setzte ich mich noch eine Weile hin und sah mir die Babyfotos an den Wänden an. Die Praxis erinnerte mich an eine Kanzlei und auch die Arzthelferin war nicht besonders freundlich. Als ich aufgerufen wurde, begleitete die Arzthelferin mich in den Raum, in dem die Pränataldiagnostik stattfinden sollte. Der Arzt begrüßte mich sehr unfreundlich und bat mich darum, mich auf die Liege zu legen. Er zog grob an meiner Hose und bereitete mich auf den Ultraschall vor. Ich wurde wieder sehr aufgeregt und schaute auf den Monitor, der sich an der Decke befand, um mitzuverfolgen, wie er mein Baby untersuchen würde. Der Arzt war sehr kalt und murmelte immer wieder etwas vor sich hin, was die Arzthelferin notierte. Es waren Werte, die sie notierte. Er untersuchte Rafel gründlich und nannte der Arzthelferin immer wieder Zahlen und Daten. Ich freute mich, als ich unser Baby das erste Mal richtig sehen konnte und stellte mir vor, wie er außerhalb meines Körpers aussehen würde. Am Ende der Untersuchung sah der Arzt mich kalt an und räusperte sich. Der Satz, den ich mein lebenlang niemals vergessen werde, der mein ganzes Leben prägen wird, war folgender. „Sie sehen, dass ihr Sohn sterbenskrank ist. Er hat so viele Defizite, das bringt gar nichts. Lassen Sie ihn abtreiben. Sie können ja noch ein neues bekommen.“ In diesem Moment starb ein kleiner Teil in mir. Ich war doch schon fast in der 22. Woche, das konnte doch überhaupt nicht sein. Er sagte, dass unser Sohn so viele Auffälligkeiten hätte, dass es keinen Sinn machen würde, ihn zu behalten und es sinnvoller wäre, ein neues Baby zu bekommen. Die Art und Weise, wie er mir das vermittelte, macht mich noch heute wütend. Ganz trocken und empathielos versuchte er mich regelrecht dazu zu drängen schnellstmöglich einen Termin für eine Geburtseinleitung zu vereinbaren, um das Leben meines Baby zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich etwa zwei Minuten lang von der Diagnose unseres Sohnes. Er betonte immer wieder, dass es so viele Fehlbildungen und Auffälligkeiten gäbe und er sich da nicht irren würde, er wüsste es ganz genau, ich solle mich sofort um einen Termin kümmern und bräuchte keine zweite Meinung. Er äußerte sich sehr abfällig, denn so ein Baby sei doch gar nicht lebensfähig, das bräuchte man nicht. Eine zweite Meinung sei komplett überflüssig, er würde sich nie irren und die Zeit könne ich mir sparen, betonte er immer wieder. Der Arzt machte mich auf Fehlbildungen des Herzens aufmerksam, auf eine Zwechfellhernie, bei der seine Organe falsch platziert seien, sowie auf Fehlbildungen der Unterarme. Immer wieder betonte er, dass unser Sohn aufgrund der Krankheit „sowieso“ sterben würde und wahrscheinlich an Trisomie 13 oder Trisomie 18 leiden würde, sodass es sich nicht lohnen würde, bis zum ursprünglichen Geburtstermin im März zu warten. Ich hatte das Gefühl, dass es ihm gefiel schlechte Nachrichten zu vermitteln. Er wirkte wie ein richtiger Sadist. Dieser selbsgefällige Gesichtsausdruck machte mich fassungslos. Ich erklärte ihm, dass ich die Diagnose gerne erst einmal mit meinem Mann besprechen würde, bevor ich irgendwelche Entscheidungen treffe. Dass ich unseren Sohn einfach so hergeben würde, kam für mich niemals in Frage. Das stieß bei ihm auf Unverständnis und er fragte mich nur, was es bei den ganzen Auffälligkeiten denn zu überlegen gäbe. Er drückte mir die Ergebnisse der Untersuchung in die Hand. Ich musste all das erst einmal verarbeiten. Ich konnte nicht verstehen, wie unser Sohn ganz plötzlich in der 21. Schwangerschaftswoche so krank sein konnte, obwohl vorher doch immer alles in Ordnung zu sein schien. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieser Arzt recht hatte. Ich wusste gar nicht, auf welche Diagnose ich mich zuerst konzentrieren sollte. Er vereinbarte einen Termin für den nächsten Tag für eine Fruchtwasseruntersuchung, um die Trisomie zu bestätigen, konnte aber beim besten Willen nicht verstehen, warum ich zögerte und eine zweite Meinung einholen wollte. Als ich die Praxis verließ, brach ich in Tränen aus. Mein Mann schlief noch und ich wollte es ihm persönlich sagen. Ich teilte einigen Freund*innen unter Tränen die Nachricht mit und wusste nicht, was ich nun tun sollte. Meine Welt brach zusammen. Während der ganzen Fahrt nachhause musste ich mich so sehr zusammenreißen nicht zusammen zu brechen. Ich schaffte es gerade so nachhause, doch dann ging es los. Mein Mann hörte mich sofort und kam besorgt zu mir. Schluchzend erzählte ich ihm davon, was der Arzt mir gerade gesagt hatte. Wir verstanden die Welt nicht mehr. Mein Leben war für mich vorbei. Ich informierte meine Hebamme am Nachmittag über die Geschehnisse und sie bot mir an, vorbei zu kommen. Sie kam abends vorbei und ging mit mir die Diagnosen durch. Sie versuchte mir etwas Mut zu machen, da genau dieser Arzt erst kürzlich bei einer ihrer Patientinnen ähnliche Diagnosen bei einem kerngesunden Kind gestellt hatte, die sich letztendlich als falsch erwiesen. Das war meine große Hoffnung. Ich googlete den ganzen Tag sämtliche Begriffe, die auf den mir ausgehändigten Blättern standen, las alles über Trisomie 13 und Trisomie 18, suchte nach Lösungen und war einfach verzweifelt. Es fühlte sich an, wie der schlimmste Albtraum, den man nur haben konnte. Ich konnte die ganze Nacht an nichts anderes denken und las alles, was ich im Internet finden konnte. Mein Mann und ich unterhielten uns über alle Möglichkeiten und versprachen uns zusammenzuhalten. Wir gingen zusammen zu meiner Frauenärztin und ließen uns bezüglich der Fruchtwasseruntersuchung beraten, die sie uns ans Herz legte. Ich hatte Angst vor den Risiken, jedoch war das die einzige Möglichkeit herauszufinden, ob wirklich eine Krankeheit vorlag. Die Fruchtwasseruntersuchung war wieder eine sehr grobe Untersuchung, leider fand sie bei dem Feindiagnostiker statt, den ich nun bis zu meinem Lebensende meiden werde. Mein Mann durfte mich ausnahmsweise begleiten, der Arzt verhielt sich dadurch nur minimal „netter“, wobei das hierfür definitiv der falsche Ausdruck war. Er war erneut sehr grob, nahm das Fruchtwasser ab und entließ mich wieder. Ich musste noch ein paar Minuten in einem Raum liegen bleiben und fuhr dann mit meinem Mann nachhause. Auch diesen Tag verbrachte ich mit Zittern und Warten und hauptsächlich mit Hoffen. Doch all das brachte nichts. Schon am nächsten Morgen rief der Arzt mich wieder an. Er sagt trocken, dass er Recht hatte und eine Trisomie 18 vorlag. Ich müsste noch diese Woche zum Humangenetiker gehen, um eine genetische Beratung durchführen zu lassen. Die folgenden Tage waren ein absoluter Albtraum, da wir einfach nicht wussten, ob unser Baby vielleicht doch überleben könnte. Uns beschäftigte nichts anderes mehr.


Am 12. November (SSW 22 / 21+2) fuhren mein Mann und ich zusammen ins Krankenhaus für den Termin bei der Humangenetik. Ein sehr freundlicher Humangenetiker nahm sich wahnsinnig viel Zeit, um mit uns über die Diagnosen zu sprechen. Er erläuterte uns anhand der Befunde alles ganz genau. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns so etwas nochmal passieren würde, läge wieder bei unter 1%. Unter 1%... allein das zu hören, war ein harter Schlag. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass diese Krankheit nicht entstanden wäre, bei rund 99% lag. Und trotzdem traf es uns. Die Chromosomenstörungen seien laut ihm nichts genetisches, sondern leider eine Laune der Natur, es gäbe hierfür keine Ursachen, man könne so etwas nicht beeinflussen und manchmal würde das eben passieren... Die Formen der Trisomien seien wohl sehr unterschiedlich, wobei es unseren Kleinen sehr schlimm getroffen hatte.
Uns wurde ganz detailliert der Befund erklärt, der aussagte, dass unser Baby außerhalb meines Körpers überhaupt nicht lebensfähig wäre, sein Herz hätte so viele Fehlbildungen und auch alle anderen Diagnosen seien leider sehr schlecht, aber leider deutlich belegbar. Sein Herz würde entweder schon in Kürze, aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit spätestens während der Geburt aufhören zu schlagen, weil es einfach viel zu schwach und zu klein war. Sein Gehirn würde nicht arbeiten, sodass das ebenfalls eine Lebensunfähigkeit darstellen würde. Er würde nur leiden und die Fortführung der Schwangerschaft würde für mich kompliziert werden. Die Geburtseineleitung sei wichtig, um weitere Komplikationen, zu umgehen. Es gäbe Fälle, in denen Schwangerschaftsvergiftungen auftreten würden o.Ä., die eine Gefahr für die Mutter darstellen würden. Wir erfragten natürlich sofort, ob wir ihn trotzdem behalten könnten und es wenigstens versuchen könnten, doch die Trisomie wurde laut ihm überall in jeder entnommenen Zelle festgestellt, eine Heilung sei ausgeschlossen. Es wurden scheinbar insgesamt 30 Zellen entnommen und alle waren beschädigt. Er betonte auch, dass unser Baby in der Konstellation die schlimmsten Diagnosen hätte und diese Wahrscheinlichkeiten von einem Jahr Lebenszeit, wie es bei anderen Babys mit der Krankheit oft der Fall ist, sich bei ihm eher maximal auf Stunden beziehen würde, wenn überhaupt. Die Bestätigungen der Diagnosen wiederholten sich nur. Wir hörten immer wieder von allen Seiten, dass er aufgrund der Diagnosen sterben wird... Es wurde immer schlimmer und schlimmer. Aufgrund des schweren Herzfehlers stünde man auch leider nicht vor der Wahl, ob man es "versuchen" möchte, ihn am Leben zu erhalten und die „Fehler“ zu beheben, weil er für eine OP viel zu schwach sei. Wir müssten nun wirklich einsehen, dass er krank sei und wir ihn verlieren würden, unabhängig davon, ob die Geburt früher oder erst zum ET stattfinden würde.


Wir teilten unser Leid mit der Familie und unseren Freunden. Fast alle waren fassungslos, betrübt, traurig und entsetzt. Es war nicht einfach, es allen mitzuteilen. Immerhin wusste jeder aus unserem Umfeld von der Schwangerschaft. Irgendwann funktionierte man nur noch. Ich sammelte all meine Kraft, schrieb die Nachricht einmal und schickte sie an alle. Ich erhielt sofort einige Anrufe, war jedoch kaum in der Lage zu sprechen, ich war nur am weinen. Erst nach einigen Stunden konnte ich mich sammeln. Ich konnte das Ganze absolut nicht realisieren. Ich würde unseren geliebten Sohn verlieren... Womit hatte ich das verdient? Als man mir dann noch „vorwarf“, dass ich unberührt wirkte, weil ich, nachdem ich zum gefühlt fünfzigsten Mal die gleiche Sprachaufnahme machte und es quasi wie einen auswendig gelernten Text runterrasste, meine Emotionen einfach nicht mehr zeigen konnte, verlor ich ein bisschen den Glauben an Empathie. Ich war komplett leer. Ich konnte nicht einmal mehr weinen, ich war einfach leer. Ich konnte es kaum fassen. Man hatte einer Frau, die gerade realisieren musste, dass sie ihr absolutes Wunschkind verlieren würde, vorgeworfen, dass sie unberührt wirkte. Selbst wenn es nur eine Vermutung war – so etwas sagt man nicht! Unser Sohn war zu diesem Zeitpunkt noch da, ich spürte seine Tritte und ihn. Er war noch am Leben uns somit noch Teil meines Lebens. Auch die Tatsache, dass wir Besuch erhielten und man äußerte, dass mein Mann betroffener sei, als ich es war, weil ich darüber redete und er leise neben mir saß, warf mich komplett aus der Bahn. Entschuldigung?! Unser Baby wird sterben? Ich war wie in Trance, für mich war das alles absolut unreal, ich hatte noch nicht einmal ansatzweise angefangen es in irgendeiner Art und Weise zu verarbeiten und durfte mir anhören, wem es schlechter damit ging? Schlimmere Beleidigungen konnte es kaum geben. Zumal viele zu vergessen schienen, dass es unser Baby war und es keinen Wettbewerb gab, wem es nun schlechter ging. Ich regte mich wahnsinnig darüber auf. In diesem Moment dachte ich mir, dass nur diejenigen, die ihr Kind verlieren, es wohl wirklich verstehen würden, wie schmerzhaft das war. In dem Moment kamen mir all meine anderen Probleme so lächerlich vor.


Bei dem Zweittermin für die Feindiagnostik am 15. November (SSW 22 / 21+5) begleitete meine Schwiegermutter mich, da mein Mann arbeiten musste. Ich war bereits schwangerschaftsbedingt von der Arbeit freigestellt. Ich hatte immer noch Hoffnungen, dass die Diagnose doch falsch sein könnte, doch es konnte leider nochmal alles bestätigt werden. Der seltene Herzfehler, eine Zwerchfellhernie, sein spiegelverkehrtes und durchlöchertes Herz, seine fehlgebildeten und auch die schweren Gehirnfehlfunktionen waren leider Realität. Es wurde schriftlich festgehalten. Nochmals wurde betont, dass er es wahrscheinlich aufgrund der Intensität und der Menge der Fehlbildungen nicht einmal bis zur Geburt schaffen würde und in den nächsten Wochen sterben würde. Ich hatte bis dahin immer noch auf ein Wunder gehofft, all meine Freund*innen und die Familie hofften mit. Aber wir mussten es akzeptieren. Es war schwierig ihn so spät zu verlieren, weil man schon so eine starke Bindung hatte. Ich konnte es immer noch nicht verstehen, wie das passiert ist, warum es so spät erkannt wurde und womit wir das verdienten. Ich fand es so unfair. Man wusste auch nicht mehr, was man denken und hoffen sollte und es war auch kein Trost zu wissen, dass man jung ist und es nochmal versuchen könnte. Der Satz fiel oft als Trost, doch das war er nicht. Ich wollte doch dieses Baby... Wir hatten uns so sehr auf dieses Baby gefreut und für mich gab es kein schlimmeres Gefühl, als zu wissen, dass er bald weg sein würde und nicht einmal eine Chance hatte, weil er so viele Krankheiten hatte. Ich weinte jeden Tag. Ich konnte den ganzen Tag nur an unser Baby denken. Ich wollte ihn beschützen. Ich wollte ihn behalten. Ich wollte ihn einfach lieben. Noch nie bekam ich so viele Nachrichten, dass man für uns beten würde, wie zu dieser Zeit. Wir bekamen viel Unterstützung. Ich hörte immer wieder wie stark ich sei, durchzuhalten. Wie stark ich sei, damit umzugehen. Meine Freund*innen taten in der Zeit so viel sie konnten. Sie versuchten uns aufzubauen und uns gut zuzureden, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben durften und wir eines Tages ein gesundes Baby in den Armen halten würden. Ich vermisste unseren Sohn schon jetzt unglaublich. Wir hatten ihn noch nie gesehen oder berührt, aber er war ein Teil von uns. Wir fühlten uns so hilflos.


Am 19. November (SSW 23 / 22+2) musste ich eine Sozialberatung durchführen, da die Einleitung in Kürze folgen sollte. Es war ein Online-Meeting mit einer Sozialberatung, der ich die gesamte Geschichte einmal erzählen sollte. Es fiel mir schwer, aber ich konnte die Fassung bewahren. Sie stellte mir eine Bescheinigung aus, die ich im Krankenhaus zur Einleitung vorlegen sollte. Bei einer Geburtseinleitung dieser Art brauchte man gewisse Unterlagen, da es sich gewissermaßen um einen Spätabbruch handelte. Ich fand die Bezeichnung sehr unpassend, da es eine stille Geburt werden würde und wir von der Natur dazu gezwungen wurden. Die Sozialberaterin war sehr empathisch und hörte mir zu. Sie betonte immer wieder, dass man die Liebe zu unserem Kind raushören würde und es ihr wahnsinnig leid täte. Wir mussten uns nach und nach damit abfinden, dass wir statt des Lebens mit Baby die Beerdigung planen mussten.

Von da an dauerte die Reise meiner Schwangerschaft nicht mehr lang. Der nächste Termin fand am 22. November (SSW 23 / 22+5) statt. Ich musste erneut zu dem unfreundlichen Feindiagnostiker gehen, da wir in der Zwischenzeit aufgrund der etlichen Untersuchungen eingesehen hatten, dass die Beendigung der Schwangerschaft stattfinden muss, ob wir es wollten, oder nicht. Der Termin bei dem Feindiagnostiker war wieder eine absolute Katastrophe. Der Arzt hat mich erst total angemacht, was mir einfällt, einfach eine zweite Diagnose einzuholen, schließlich hätte er ja schon alles festgestellt und man bräuchte nicht an seinen Diagnosen zweifeln. Dann meckerte er mich an, warum wir noch keinen Einleiungstermin vereinbart hätten, was es da zu überlegen gäbe. Dass eine solche Entscheidung Zeit kostete, verstand er nicht. Er sagte dann, dass wir den Termin noch in dieser Woche vereinbaren müssten, weil sonst ein zu großer Schaden entstehen würde. Als ich ihn dann darum bat, es bitte erst ab dem ersten Dezember zu machen und auch erklärt habe, dass ich einen Tag zuvor nämlich Geburtstag hätte, wurde ich nur noch mehr angemeckert. Er sagte nur wieder, es ist kein Wunschkonzert und ich kann doch meinen Geburtstag sowieso nicht feiern. Ich hab ihm dann erklärt, dass es darum geht, dass ich es einfach nicht möchte, dass mein Geburtstag gleichzeitig der Geburtstag und Todestag unseres Sohnes ist, was er überhaupt nicht verstand. Er wies mich nochmal darauf hin, dass die Geburt drei bis fünf Tage andauern könnte und mein Geburtstag doch unwichtig sei, ich solle mich nicht so haben. Es war schon alles schlimm genug, dann will ich da doch nicht für immer an meinem Geburtstag dran erinnert werden. Sehe ich zumindest so. Der Feindiagnostiker hatte scheinbar noch nicht genug und sagte mir, dass ich die Kosten ja auch selbst tragen könne, wenn ich die Termine schon selbst legen will. Er stellte es so dar, als gäbe es Probleme, wenn ich die Einleitung in neun Tagen statt in fünf Tagen machen würde und sagte immer wieder ich würde das nicht verstehen und wir sind nicht bei wünsch dir was. Zum Schluss sagte er noch, als ich mich bezüglich des Mutterschutzes erkundigte, "mehr als zwei Wochen Ruhe brauchen Sie auch gar nicht, da ist kein Mutterschutz nötig, das ist ja kein großer Eingriff, nur eine kleine Geburt." So etwas unmenschliches machte die ganze Situation noch viel schlimmer. Es fühlte sich traumatisierend an und bis heute verstehe ich nicht, wie solch ein Mensch in diesem Beruf arbeiten darf. Am Ende des Termins bekam ich einige Unterlagen und verblieb mit ihm so, dass er mich anrufen würde, sobald der Termin in der Klinik vereinbart worden wäre, dass er allerdings keine Rücksicht auf mich nehmen könne. Es dauerte nicht lang, bis ich den Termin zur Einleitung bekam. Obwohl er vorher so ein Theater machte, stellte sich im Nachhinein heraus, dass in der von ihm geplanten Woche gar kein Termin frei gewesen wäre, sodass wir ohnehin noch eine Woche länger warten mussten...


Der Termin zur Einleitung war also für den 6. Dezember (SSW 25 / 24+5) angesetzt. Die Tage davor waren nicht einfach, sie gehörten zu den schlimmsten in meinem Leben. Eigentlich kann ich kaum schildern, was ich in dieser Zeit gemacht habe. Ich habe getrauert und die letzten Tage mit unserem Sohn im Bauch genossen, mit dem Wissen, dass er noch lebte. Und mit dem Wissen, dass das bald vorbei sein würde. Vorab wurde mir noch mitgeteilt, dass er sehr wahrscheinlich noch vor der Geburt sterben würde, da die Geburt zu viel Kraft erfordern würde, die er nicht hätte. Wir stellten uns also bereits darauf ein, dass es nur noch eine Frage der Zeit war...

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